Ausbildung für Tiefbauunfälle in Theorie und Praxis
Die Feuerwehr Flörsheim hat im Jahr 2022 das Thema Tiefbauunfälle als Schwerpunkt in ihrem Dienstplan mit aufgenommen. Hierzu waren ein Theorieabend im Winterhalbjahr und eine Praxisausbildung an einem Samstag im Sommer vorgesehen.
Tiefbauunfälle zählen eher zu den seltenen Einsatzarten. Durch die Straßen- und Kanalbaumaßnahmen im Stadtgebiet sowie diverse Tiefbauarbeiten im privaten Bereich, kann die Feuerwehr jedoch plötzlich vor einer Einsatzlage stehen, bei der ein umfangreiches Wissen über physikalische Grundlage, Einsatztaktik und Sicherungsmöglichkeiten benötigt werden.
Als Einführung in das Thema wurde im Rahmen eines Online-Unterrichts im Februar 2022 die Themen mechanische Grundlagen, Sicherung von Baugruben und Gräben, Einsturzursachen, Einsatztaktik bei Tiefbauunfällen, Sicherungsmaßnahmen bei Tiefbauunfällen und Einsatzgrundsätze mit einer Präsentation vorgestellt und mit Bildmaterial beispielhaft verdeutlicht. Die theoretische Unterrichtseinheit sowie die Organisation der Praxisausbildung wurde dabei federführend von einem Feuerwehrmitglied ausgearbeitet, welches auch beruflich im Straßen- und Kanalbau als Bauleiter tätig ist. Weitere Mitglieder mit entsprechendem beruflichen oder fachlichen Hintergrund unterstützen hierbei.
Im April 2022 hat sich spontan die Möglichkeit ergeben, auf einer städtischen Straßen- und Kanalbaumaßnahme den Übungsabend zu nutzen, um den theoretischen Kenntnisstand in die Praxis umzusetzen. Hierbei galt es, einen verunglückten Mitarbeiter der ausführenden Firma nach einem Arbeitsunfall aus seiner Lage zu befreien. Die Besatzung des GTLFs und des RWs haben gemeinsam den Einsatzbefehl des Übungsleiters bekommen, die Rettung des Verunfallten durchzuführen. Relativ zeitnah stellten die Übungsteilnehmer fest, dass man mit den mitgeführten Einsatzmitteln schnell an seine Grenzen stößt, wenn man im Rahmen der Einsatzgrundsätze arbeiten will. Für eine ausreichende Abstützung der Grabenwände wurden daher auf der Baustelle vorhandene Materialien zur Hilfe genommen. So konnte sehr anschaulich aufgezeigt werden, dass man auch durch Improvisation zu einem guten Übungserfolg kommen kann.
Durch die Erkenntnisse aus der ersten Praxisübung ist die Idee entstanden, sich für den Einsatzfall und die ersten Maßnahmen besser aufzustellen. Um einen Rettungsverbau schnell herstellen zu können, wird Material benötigt, welches unmittelbar einsetzbar, robust sowie stabil ist und mit dem größere Flächen der Baugrubenwände zügig abgesichert werden kann. Nach einer Recherche in diesem Themenfeld und Sichtung anderer Erfahrungsberichte, wurde sich für die Herstellung von vier Rettungstafeln, bestehend aus einer Siebdruckplatte in Kombination mit einer Bohle, entschieden. Die Anschaffung des Materials wurde durch den Feuerwehrverein ermöglicht. Die Herstellung übernahmen dann die Feuerwehrmitglieder in Eigenleistung. Das Ergebnis kann sich sehen lassen und pünktlich zum anstehenden Praxistag standen die vier Rettungstafeln zur Verfügung.
Im August 2022 fand schließlich der angesetzte Praxistag mit dem Thema Tiefbauunfälle statt. Glücklicherweise konnte auch an diesem Tag wieder eine städtische Tiefbaumaßnahme als Übungsort für eine realitätsnahe Übungslage genutzt werden. Nach Rücksprache mit dem Polier der ausführenden Firma, konnte freitagnachmittags die Übungslage vorbereitet werden. An der Übung nahm zusätzlich eine Rettungswagenbesatzung der Malteser aus Kelkheim teil, um auch die rettungsdienstlichen Aspekte der Rettung sowie die Zusammenarbeit unter realen Bedingungen trainieren zu können.
Der ersteintreffende Fahrzeugführer wurde vom Vorarbeiter der Firma (simuliert durch die Übungsleitung) in die Lage vor Ort eingewiesen. Folgendes Szenario musste von den Übungsteilnehmern abgearbeitet werden: Der sogenannte Rohrleger im Kanalgraben wurde beim Einheben des Kanalrohres unter diesem eingeklemmt. Zudem hat sich der Unfall in einem noch nicht verbauten Grabenabschnitt ereignet. Der Fahrzeugführer des GTLF hat daraufhin an die Mannschaft folgende Aufträge übertragen: Einsatzstelle absperren, Befragung beteiligter Personen / Erkundung, gegen weiteres Abrutschen und Einstürzen sichern, Personen betreuen, Versorgungsleitungen absperren lassen, Ablageplätze und Bereitstellungsräume festlegen und Personenrettung durchführen.
Nachdem die Sicherungsmaßnahmen durch die Feuerwehr durchgeführt wurden, konnte die Besatzung des Rettungswagens die Versorgung am Patienten beginnen. Nach der Stabilisierung des Patienten, musste dieser durch die Feuerwehr noch von seiner Einklemmung im Beinbereich befreit werden. Der Patient wurde nach dem Anheben des Kanalrohres mit dem Spineboard aus dem Kanalgraben gerettet und dem Rettungsdienst zur weiteren Versorgung übergeben.
Im Anschluss an die Übung wurde noch vor Ort eine Übungsnachbesprechung durchgeführt. Hierbei wurden die erlangten Erkenntnisse gemeinsam besprochen und positive Punkte sowie Verbesserungen für die Zukunft konstruktiv aufgearbeitet. Allen Beteiligten hat die Übung sehr gut gefallen, sodass auch zukünftig das Thema TH-Bau wieder in den Dienstplan aufgenommen wird.
Als Fazit ist festzuhalten, dass solche Einsatzlagen einen umfangreichen Kenntnisstand der vor Ort tätigen Einsatzkräfte erfordern. Gerade in solchen nicht alltäglichen Einsatzlagen ist es von Vorteil, bei Übungen die zur Verfügung stehenden Einsatzmittel und Einsatzgrenzen zu kennen.